Aufklärungspflicht über eine einmal im Leben gewährte Steuerermäßigung
Ein Steuerberater hat seinen Mandanten über die Einmaligkeit einer Steuerermäßigung aufzuklären, auch wenn die Ermäßigung nicht beantragt worden war (Landgericht Lübeck, Urteil v. 11.01.2024 – 15 O 72/23; nicht rechtskräftig).
Hintergrund: Die antragsgebundene Steuervergünstigung für Veräußerungsgewinne kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden, § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG.
Sachverhalt: Ein Steuerberater prüfte für einen Mann einen Steuerbescheid, wonach der Mann Steuern nachzahlen sollte. Das Finanzamt hatte einen speziellen ermäßigten Steuersatz angewendet, der nur einmal im Leben genutzt werden kann. Allerdings hatte der Mann diesen speziellen Steuersatz gar nicht beantragt (konkret ging es um die Anwendung der Steuerermäßigung des § 34 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG). Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen den Bescheid vorzugehen, da sonst eine noch höhere Nachzahlung drohe. Der Mann folgte diesem Rat. Zehn Jahre später beantragte der Mann diesen ermäßigten Steuersatz, aber das Finanzamt lehnte ab. Dieser Steuersatz könne nur einmal im Leben beansprucht werden und sei bereits verbraucht. Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg, der Bundesfinanzhof bestätigte die Ansicht des Finanzamts (BFH, Urteil v. 28.09.2021 – VIII R 2/19, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 07.01.2024).
Vor dem Landgericht Lübeck (LG) verlangt der Mann von dem Steuerberater Schadensersatz. Der Berater habe ihm empfehlen müssen, gegen den Bescheid vorzugehen. Anders sieht es der Steuerberater: er habe nicht wissen können, dass der ermäßigte Steuersatz auch dann verbraucht ist, wenn dieser gar nicht beantragt wurde. Gerichtsentscheidungen habe es dazu noch nicht gegeben.
Die Klage hatte vor dem LG Erfolg:
- Der Steuerberater hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass der vergünstigte Steuersatz nur einmal im Leben beansprucht werden kann.
- Das Gesetz regelt dies eindeutig. Wegen dieser klaren Regelung hätte der Steuerberater über die Gefahr aufklären müssen, dass die Vergünstigung später verbraucht sein könnte, auch wenn sie gar nicht beantragt war.
- Da er dies versäumt hat, muss er dem Mann den Schaden von rund 220.000 € ersetzen