Neuregelung der Tonnagesteuer vor dem BVerfG
Das FG Hamburg hat das BVerfG zu der Frage angerufen, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG in der Fassung des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetzes (AbzStEntModG) vom 02.06.2021 (BGBl. I. 2021, 1259) insoweit verfassungswidrig ist, als darin die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 Sätze 5 bis 7 EStG in der Fassung des AbzStEntModG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1998 beginnen, angeordnet wird (FG Hamburg, Beschluss v. 24.11.2022 – 6 K 68/21).Hintergrund der Vorlage ist eine mit dem AbzStEntModG rückwirkend ab Einführung der sog. Tonnagesteuer (§ 5a EStG) im Jahr 1999 in Kraft getretene Neuregelung, die den sog. Unterschiedsbetrag betrifft. Ein solcher Betrag wird bei der erstmaligen Anwendung der pauschalen Gewinnermittlung nach der Tonnage vom Finanzamt für jedes dem Schiffsbetrieb unmittelbar dienende Wirtschaftsgut und für jeden Mitunternehmer gesondert festgestellt. Damit werden die sich in den Wirtschaftsgütern (im Wesentlichen das Schiff) vor dem Wechsel zur sog. Tonnagebesteuerung angesammelten stillen Reserven als Besteuerungssubstrat festgehalten. Diese müssen unter anderem dann versteuert werden, wenn ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG).Der BFH hat ab 2019 in ständiger Rechtsprechung entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass der Begriff des Ausscheidens weit zu verstehen ist und auch unentgeltliche Übertragungen im Wege der Schenkung oder eines Erbfalles umfasst (BFH, Urteil v. 28.11.2019 – IV R 28/19). Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert. Durch § 5a Abs. 4 Sätze 5 bis 7 EStG i.V.m. § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG wird rückwirkend ab Einführung der Tonnagesteuer geregelt, dass bei Übertragungen eines Mitunternehmeranteils zum Buchwert nach § 6 Abs. 3 EStG – und damit unentgeltlich – der Unterschiedsbetrag auf den Rechtsnachfolger übergeht. Es kommt also zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht zur Besteuerung der im (fortgeführten) Unterschiedsbetrag enthaltenen stillen Reserven. Damit wurde die bisherige Verwaltungsauffassung wiederhergestellt.
Der Streitfall betrifft die Schenkung eines Mitunternehmeranteils im Jahr 2005 und ist damit von der rückwirkenden Neuregelung betroffen. Der vorlegende Senat ist davon überzeugt, dass diese Rückwirkung gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes (Art. 20. Abs. 3 Grundgesetzes) verstößt und deshalb verfassungswidrig ist.