Anteilsrotation als möglicher Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 20.09.2022 (IX R 18/21) seine Grundsätze zur steuerlichen Anerkennung von Verlusten infolge einer Anteilsrotation weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
K, der neben A an der X-GmbH zur Hälfte beteiligt war, schloss mit A zunächst einen privatschriftlichen Kauf- und Abtretungsvertrag über Geschäftsanteile, welcher aber erst im Jahr nach dem Streitjahr notariell beurkundet wurde. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass K seinen Geschäftsanteil an der X-GmbH i.H.v. 130.000 € an A zu einem Preis von 12.500 € veräußerte und den Anteil „mit allen Rechten und Pflichten“ an A abtrat. Gleichzeitig übertrug auch A seinen Geschäftsanteil durch privatschriftliche Einigung und Abtretung und im Folgejahr durch notarielle Beurkundung zu gleichen Konditionen auf den K. In seiner Einkommensteuererklärung machte K einen Verlust aus der Veräußerung seines Geschäftsanteils an der X-GmbH i.H.v. 292.500 € geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust nicht an, das Finanzgericht und anschließend auch der BFH folgten dem.
Entscheidung im Besprechungsfall
Zunächst stellt der BFH klar, dass im Streitjahr keine zivilrechtlich wirksame Übertragung der Anteile erfolgt ist, weil es an der erforderlichen notariellen Beurkundung fehlte. Zudem ging der BFH von einem steuerlich nicht anzuerkennenden Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten aus. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Einem Steuerpflichtigen steht es frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt.
Die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlusts steht nicht nur im Einklang mit § 17 EStG, sondern entspricht auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Sie ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich. Etwas anderes kann gelten, wenn ein „Verlust“ nur dadurch entsteht, dass die Beteiligten einen offensichtlich zu niedrigen Kaufpreis vereinbaren. Denn in diesem Fall ist der „Verlust“ nicht durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen unter Wert zustande gekommen.
Die X-GmbH war im Zeitpunkt der Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. Sowohl im Streitjahr als auch im Folgejahr und in den Vorjahren erzielte sie positive Jahresüberschüsse, die die Gesellschaft für Gewinnausschüttungen nutzte. Daher entsprach der vereinbarte Kaufpreis i.H.v. (jeweils) 12.500 € nicht einmal annähernd dem tatsächlichen Wert der veräußerten Geschäftsanteile. Der „Verlust“ des K aus der Veräußerung war mithin im Veräußerungszeitpunkt nicht real eingetreten, sondern nur das rechnerische Ergebnis der vertraglichen Vereinbarung eines Unter-Wert-Verkaufs, bei dem der (jeweilige) Kaufpreis die Wertverhältnisse der zur Veräußerung bestimmten Kapitalgesellschaftsanteile in krasser Weise verfehlte. Dieser Umstand spiegelt demnach auch nicht eine geminderte Leistungsfähigkeit des K wider. Darüber hinaus konnte der BFH in der durchgeführten Anteilsrotation keinen realen wirtschaftlichen Hintergrund erkennen.