Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben sich zur Anwendung des BFH-Urteils v. 16.11.2022 – II R 39/20 in Bezug auf die Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaft-und Schenkungsteuer geäußert. In Bezug auf die tätigkeitsbezogene Auslegung des Begriffs „Betriebs der Land- und Forstwirtschaft“ soll das Urteil nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewendet werden (Oberste Finanzbehörden der Länder v. 19.02.2024 – S 3201, BStBl 2024 I S. 380).

Hintergrund: Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist Grundbesitz i. S. des § 19 BewG, zu dem nach § 19 Abs. 1 BewG auch Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gehören, mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. mit § 157 Abs. 2 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 158bis 175 BewG zu ermitteln. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist gem. § 158 Abs. 2 Satz 1 BewG der „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“.

Der BFH hat mit Urteil v. 16.11.2022 – II R 39/20, BStBl 2024 II S. 246, u.a. entschieden, dass der bewertungsrechtliche Begriff „Betrieb der Land- und Forstwirtschaft“ tätigkeitsbezogen ist. § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG knüpfe an eine bestimmte Nutzung des Bodens an, aber nicht an das Eigentum am Boden. Einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft habe demnach derjenige inne, der Land- und Forstwirtschaft betreibe. Der Betriebsbegriff sei tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder am Besatz bedürfe es nicht. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG. Die land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung für den Betrieb eines Dritten reiche nicht aus, land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim Eigentümer zu begründen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 23.02.2023 mit Anmerkung Loose).

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben beschlossen, insoweit das BFH-Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden:

  • § 158 Absatz 1 BewG sieht eine zweistufige Regelung vor. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wird durch die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse nach § 158 Absatz 1 Satz 1 BewG begründet. Darüber hinaus begründen nach § 158 Absatz 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind, einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Dabei ist es unerheblich, ob die Wirtschaftsgüter einem eigenen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dienen oder Dritten zur Nutzung überlassen werden. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft kann auch ein einzelnes land- und forstwirtschaftlich genutztes Grundstück sein, das gemäß § 159 BewG nicht zum Grundvermögen zu rechnen ist (R B 158.1 Abs. 2 ErbStR 2019).
  • Im Fall der Nutzungsüberlassung entstehen folglich zwei wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Beim Eigentümer des Grund und Bodens liegt ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft vor, weil der Pächter den Grund und Boden land- und forstwirtschaftlich bewirtschaftet. Beim Pächter liegt zumindest tätigkeitsbezogen ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft vor.
  • Entgegen der Entscheidung des BFH können land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, auch dann einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden, wenn sieweniger als 15 Jahre lang einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind (sog. unechte Stückländereien; R B 160.1 Absatz 6 Satz 7 ErbStR 2019).
  • Derartige Flächen bilden nur dann eine eigene wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, wenn sie nicht als Teilfläche einem bestehenden Betrieb der Land- und Forstwirtschaft des Überlassenden zugeordnet werden können. Der Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und die Abgrenzung zum Betriebs- und Grundvermögen richten sich nach den §§ 158, 159 BewG und können nicht aus § 160 Absatz 7 BewG abgeleitet werden. Der Gesetzgeber hat die zeitliche Komponente des § 160 Absatz 7 BewG insbesondere im Hinblick auf die Bewertungsmethode eingeführt (§ 162 Absatz 2 BewG). Darüber hinaus hat sie in der Praxis Bedeutung für die Frage einer etwaigen Steuerentlastung nach §§ 13a, 13b, 13c, 28a ErbStG.

Hinweis:

Nach Auffassung der obersten Finanzbehörden der Länder sind die Ausführungen des BFH in der o.g. Entscheidung zum verfassungsrechtlichen Übermaßverbot dagegen weiterhin allgemein anwendbar.