Bedenken gegen Übergewinnsteuer

Vertreter der Wissenschaft haben in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 28.11.2022 erhebliche Bedenken gegen die Einführung eines Energiekrisenbeitrages für Unternehmen der Öl-, Gas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft aufgrund einer EU-Verordnung erhoben. Die Maßnahme soll noch in den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (BT-Drucks. 20/3879, 20/4229) eingefügt werden.
Vorgesehen ist, dass in den Wirtschaftsjahren 2022 oder 2023 (bei abweichenden Wirtschaftsjahren in den Jahren 2022/23 und 2023/24) entstandene Gewinne von Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, die im Vergleich zu den Vorjahren (2018 bis 2021) den Durchschnittsgewinn um 20 Prozent übersteigen, besteuert werden. Der Steuersatz soll 33 Prozent betragen. Außerdem war die Steuerpflicht der Gasumlage Thema der öffentlichen Anhörung. Vorgesehen ist hier ein sozialer Ausgleich, so dass sich nur bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen durch die Gaspreisbremse erhöhen soll.
In der vom Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) geleiteten Anhörung des Finanzausschusses nannte Professor David Hummel (Universität Leipzig) den EU-Energiekrisenbeitrag einen „sehr innovativen Ansatz der EU-Kommission“. Es handele sich um nichts anderes als eine zusätzliche Ertragsteuer. Und bei Steuern gelte das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat und die Pflicht zur Beteiligung des Europäischen Parlaments. Bei der gewählten Lösung über den Artikel 122 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gebe es Schwierigkeiten, nachzuvollziehen, wie die Sicherstellung der Versorgung mit Energie über neue Steuern erfolgen solle. Auch der gewählte Weg einer Verordnung sei sehr ungewöhnlich. Das Vorhaben hätte besser über eine Richtlinie realisiert werden sollen. Er sehe „jede Menge Schwierigkeiten auf uns zukommen“, erklärte Hummel.
Dietmar Gosch (WTS Group AG) vertrat die Auffassung, dass der Energiekrisenbeitrag ungeeignet sei, um eine drohende Energienotlage im Sinne von Artikel 122, Absatz 1 AEUV zu beseitigen. Mit dem Beitrag werde keine Mangellage behoben, sondern es werde allenfalls die Folge einer eventuellen Mangellage beseitigt. Preissteigerungen und daraus generierte Gewinne seien natürliche Marktreaktionen und keine Störungen des Marktgeschehens. Es sei ein untaugliches Krisenbeseitigungsinstrument gewählt worden. Wie schon Experte Hummel vertrat auch Gosch die Auffassung, dass bei Steuern in der EU das Einstimmigkeitsprinzip gelte. Die Beteiligung des Europäischen Parlaments werde mit dem Weg über die Verordnung unterlaufen.
Heribert Anzinger (Universität Ulm) sagte, die EU-Verordnung betrete an vielen Stellen Neuland, und es gebe rechtliche Unsicherheiten. Als Grundlage für die Verordnung gewählt worden sei der energiepolitische Fragen und nicht Steuern betreffende Artikel 122 Absatz 1 AEUV. Die EU habe offenbar den Weg einer Verordnung gewählt, damit es schneller gehe. Deutschland solle sich unionsrechtsfreundlich verhalten, empfahl Anzinger.
Hinweis:
Weitere Meinungen zur geplanten Regelung (u.a. von Simon Kempny, Universität Bielefeld, vom BDI sowie vom Netzwerks Steuergerechtigkeit) sind in der hib-Meldung v. 28.11.2022 zusammengefasst.