Bundestag berät über Inflationsausgleichsgesetz

Der Bundestag hat am 22.9.2022 den Entwurf eines „Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz – InflAusG)“ (BT-Drucks. 20/3496) in 1. Lesung beraten.
Die Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen durch verschiedene steuerliche Maßnahmen wie die Anhebung des Grundfreibetrages und des Kinderfreibetrages sowie durch ein höheres Kindergeld die Belastungen durch die Inflation reduzieren. Ihr Gesetzentwurf sieht die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages von derzeit 10.347 Euro auf 10.632 Euro im kommenden Jahr vor. 2024 soll der Grundfreibetrag weiter auf 10.932 Euro steigen. Mit der Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags werde die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Steuerpflichtigen ab 2023 gewährleistet, heißt es in dem Entwurf.
Die Anhebung und die Verschiebung der übrigen Tarifeckwerte nach rechts führt nach Angaben der Fraktionen zu einem Ausgleich der Effekte der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs. Nicht verschoben werden soll der Eckwert der sog. Reichensteuer. Durch die Maßnahmen werde sichergestellt, dass trotz steigender Inflation Lohnsteigerungen und Entlastungen auch tatsächlich bei den Bürgern ankommen würden. Besonders für kleinere und mittlere Einkommen sollten Lohnsteigerungen nicht durch eine progressionsbedingt höhere Einkommensbesteuerung gemindert werden.
Die steuerlichen Mindereinnahmen durch die in dem Gesetz enthaltenen Maßnahmen werden im nächsten Jahr auf 12,21 Milliarden Euro veranschlagt und im Jahr 2024 auf 17,95 Milliarden Euro. Davon entfallen auf den Bund im nächsten Jahr rund 5,3 Milliarden Euro und im Jahr 2024 rund 7,8 Milliarden Euro. Ebenfalls im Jahr 2023 erhöht werden soll das Kindergeld für das erste, zweite und dritte Kind auf einheitlich 237 Euro pro Monat. Diese Erhöhung in einem Schritt soll für die Jahre 2023 und 2024 gelten. Somit steigt das Kindergeld für das erste und zweite Kind um 18 Euro und für das dritte Kind um zwölf Euro monatlich.
Rückwirkend zum 1.1.2022 soll eine Erhöhung des Kinderfreibetrages derzeit 8.388 Euro um 160 Euro auf dann 8.548 Euro erfolgen. Auch der Unterhaltshöchstbetrag für das Jahr 2022 soll nachträglich von 9.984 Euro auf 10.347 Euro angehoben werden. Im Jahr 2023 sollte der Kinderfreibetrag (inklusive Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) um 140 Euro auf 8.688 Euro angehoben werden. Im Jahr 2024 ist eine weitere Erhöhung um 228 Euro auf insgesamt 8.916 Euro vorgesehen.

Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch Finanzamt

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 12.07.2022 –

VIII R 8/19 entschieden, dass eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sog. Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer rechtswidrig ist, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.

Eine selbständige Unternehmensberaterin machte in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts (FA) reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des FA aber für klärungsbedürftig hielt. Er bat den Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat der Besichtigung nicht widersprochen.

Der BFH urteilte, dass die Besichtigung rechtswidrig war. Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmers im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige – so wie im Streitfall – der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb ein schwerer Grundrechtseingriff nicht vorliegt.

Wie der BFH weiter ausführte, war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Gesetzgebung: Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld

Die Bundesregierung möchte den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Mitte nächsten Jahres weiter über Verordnungsermächtigungen verlängern können. Dazu hat sie nun einen entsprechenden Entwurf eines „Gesetzes zur Anpassung der Verordnungsermächtigungen beim Kurzarbeitergeld und anderer Regelungen“ (BT-Drucks. 20/3494) vorgelegt.

Hintergrund: Der vereinfachte Zugang zum Kurzarbeitergeld war im Rahmen der Corona-Pandemie beschlossen und zuletzt über Verordnungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mehrfach verlängert worden.

Das nun geplante Gesetz soll es der Regierung ermöglichen, auch über den 30.09.2022 hinaus die Möglichkeit zu haben, Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld durch Verordnung zu erlassen.

Darüber hinaus sollen die Verordnungsermächtigungen ausgeweitet werden, um für die Bundesagentur für Arbeit Vereinfachungen bei den Prüfungen der Anspruchsvoraussetzungen des Kurzarbeitergeldes zu ermöglichen (Möglichkeit des Verzichts auf den Einsatz von Arbeitszeitguthaben und Urlaub zur Vermeidung der Kurzarbeit sowie Möglichkeit für die Betriebe, die Anzeige von Kurzarbeit auch im Folgemonat noch vornehmen zu können).

Für die pandemiebedingte Möglichkeit des anrechnungsfreien Hinzuverdiensts durch Aufnahme eines Minijobs während der Kurzarbeit soll eine bis zum 30.06.2023 befristete Verordnungsermächtigung geschaffen werden.

Zudem soll die Verordnungsermächtigung zur Öffnung des Kurzarbeitergeldes für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in § 11a AÜG bis Mitte 2023 verlängert werden.

Rücklage für Ersatzbeschaffung – Verlängerung

Das BMF hat R 6.6 EStR in Bezug auf die vorübergehende Verlängerung der Reinvestitionsfristen bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung angepasst (BMF, Schreiben v. 20.09.2022 – IV C 6 – S 2138/19/10002 :003).

Danach gilt zur Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR Folgendes:

  • Die in R 6.6 Absatz 4 Satz 3 bis 6, Absatz 5 Satz 5 und 6 sowie Absatz 7 Satz 3 und 4 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung oder Reparatur bei Beschädigung nach Bildung einer Rücklage nach R 6.6 Absatz 4 EStR verlängern sich jeweils um drei Jahre, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29.02.2020 und vor dem 01.01.2021 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.
  • Die genannten Fristen verlängern sich um zwei Jahre, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 01.01.2022 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.
  • Sie verlängern sich um ein Jahr, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 01.01.2023 endenden Wirtschaftsjahres aufzulösen wäre.

Häusliches Arbeitszimmer eines Gutachters

Das FG Münster hat entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer eines u.a. von Gerichten beauftragten psychologischen Gutachters den Mittelpunkt dessen beruflicher Tätigkeit darstellen kann mit der Folge, dass die Aufwendungen unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig sind (FG Münster, Urteil v. 18.08.2022 – 8 K 3186/21 E).

Sachverhalt: Der Kläger ist als selbstständiger psychologischer Gutachter tätig und wird vor allem in Überprüfungsverfahren für Strafvollstreckungskammern und für Einrichtungen des Maßregelvollzugs tätig. Im Streitjahr 2020 machte er Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer i. H. von knapp 2.400 € als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen lediglich i. H. von 1.250 € an, weil das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit des Klägers darstelle. Der qualitative Schwerpunkt liege in den für die Begutachtung unerlässlichen Explorationen der zu begutachtenden Personen.

Hiergegen wandte der Kläger ein, dass die Explorationen und die Gerichtstermine im Verhältnis zur Tätigkeit im Arbeitszimmer in einem zeitlich untergeordneten Rahmen lägen (Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5). Die Ausarbeitung der Gutachten erfordere die Auswertung aller vorliegenden Informationen und stelle die eigentliche Tätigkeit dar.

Das FG hat der Klage stattgegeben:

  • Der für den vollständigen Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer erforderliche Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimmt sich vorrangig nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit.
  • Beim Kläger liegt dieser in seinem Arbeitszimmer. Kern seiner Gutachtertätigkeit ist es, unter Ermittlung der erforderlichen Tatsachengrundlage eine Prognoseentscheidung zu treffen. Alleiniger Schwerpunkt dieser Tätigkeit sind die im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten der Auswertung der Akten und der Explorationen und die darauf aufbauenden, für das Treffen und die Begründung der Prognoseentscheidung erforderlichen Recherche-, Rechen-, Bewertungs- und Schreibarbeiten.
  • Demgegenüber stellen die Explorationen selbst keinen weiteren wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers dar. Diese sind zwar wichtige Bausteine für die Prognoseentscheidungen, werden aber wegen der freiwilligen Teilnahme der Probanden nicht immer von den Auftraggebern verlangt und sind auch nicht in jedem Fall erforderlich. Alternativ zur Exploration gibt es auch andere Analyseinstrumente, die der Kläger in einem erheblichen Teil der Gutachten verwandt hat. Zudem ist die Durchführung der Explorationen weitgehend standardisiert.

Stabilisierungsfondsgesetz (Bundesregierung)

Um die Energiebranche liquide zu halten und damit eine stabile Energieversorgung zu sichern, unterstützt die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Auftrag der Bundesregierung betroffene Unternehmen. Mit der Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes werden die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt.

Zur Sicherung der Energieversorgung hat die Bundesregierung mehrere Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, mit deren Ausführung sie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) betraut hat. Ziel ist es, die Liquidität von Unternehmen der Energiebranche und damit die Energieversorgung der Bevölkerung zu sichern.

Um der KfW die Erfüllung dieser Aufgaben zu erleichtern, hat das Bundeskabinett eine Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes auf den Weg gebracht. Damit soll die Mitnutzung einer bereits bestehenden, nicht vollständig ausgeschöpften, Kreditermächtigung zur Refinanzierung der KfW-Programme für Energieunternehmen ermöglicht werden.

Energieversorgung: Gesetzentwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes

Das Bundeskabinett hat am 14.09.2022 die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften beschlossen.

Ziel des Entwurfs für eine dritte Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG 3.0) ist es, die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien kurzfristig zu erhöhen und die Transportkapazitäten im Stromnetz zu steigern, um zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Winter 2022/2023 und im Winter 2023/2024 beizutragen. Ferner wird die Einspeisung von verflüssigtem Gas im Winter 2022/2023 weiter abgesichert.

Mit der Novelle des Energiesicherungsgesetzes werden zudem die Möglichkeiten zur Lastflexibilität industrieller Großverbraucher erschlossen. Hinzu kommen Verfahrenserleichterungen, mit der die Nutzung von LNG-Anlagen verbessert wird, um eine möglichst große Gaseinspeisung an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin in diesem Winter abzusichern.

Im Einzelnen geht es im EnSiG 3.0 es um folgende Maßnahmen:

1. Kurzfristige Erhöhung der Stromproduktion aus Photovoltaik:

  • Für den 15.01.2023 wird eine Krisensonderausschreibung für Solaranlagen des ersten Segments mit einem Volumen von 1500 MW eingeführt. Diese soll kurzfristig Ausbaupotentiale im Bereich der Solarenergie heben, um eine Reduktion des Gasverbrauchs in der Stromerzeugung zu ermöglichen. Die Regelung steht unter Beihilfevorbehalt.
  • Die für den 01.01.2023 bereits beschlossene Abschaffung der sog. 70-%-Regelung für PV-Neuanlagen bis einschließlich 25 kW installierter Leistung wird zeitlich vorgezogen. Bisher waren Betreiber solcher PV-Anlagen verpflichtet, die Wirkleistungseinspeisung ihrer Anlage auf 70 % zu begrenzen oder ihre Anlage mit einer Steuerungseinrichtung auszustatten. Zur weiteren Erhöhung der PV-Einspeisung wird die Abschaffung der Regelung für alle Neuanlagen vorgezogen, die nach dem 14.09.2022 – dem Tag des Kabinettstermins zur Formulierungshilfe für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften – in Betrieb genommen werden. Zusätzlich wird die sogenannte 70-%-Regelung ab dem 01.01.2023 bei PV-Bestandsanlagen bis einschließlich 7 kW installierter Leistung aufgehoben. Bei PV-Anlagen mit einer installierten Leistung über 7 kW bleibt es bei dem bereits im Gesetz angelegten Übergangspfad, wonach die Regelung ab Einbau eines intelligenten Messystems ausläuft. Nach dem Messstellenbetriebsgesetz gelten EE-Anlagen mit einer installierten Leistung über 7 kW als Pflichteinbaufall.
  • Darüber hinaus erfolgen Klarstellungen zugunsten der sog. Balkon-PV bei etwaigen Pönalen, die zwischenzeitlich teilweise zu Unsicherheiten geführt hatten.
  • Die Maßnahmen zur Erhöhung der Krisensonderausschreibung PV steht unter Beihilfevorbehalt.

2. Zusätzliche Anreize für die Stromproduktion aus Biogas:

  • Für die Jahre 2022 und 2023 wird eine Sonderregelung für die EEG-Förderung von Biogasanlagen geschaffen, wodurch Restriktionen aufgehoben werden, die die Erzeugung von Biogas begrenzen könnten. Dies schafft in der Krise einen vorübergehenden Anreiz, dass die Stromerzeugung aus Biogas gesteigert wird und damit in diesem Umfang auf die Verstromung von Erdgas verzichtet werden kann.
  • Für den Zeitraum ab Inkrafttreten des Gesetzes bis 30.04.2023 wird eine befristete Flexibilisierung des Güllebonus geregelt. Betreiber von Biogasanlagen werden in der Krise dazu angereizt, möglichst viel Strom aus Biogas zu produzieren. Mit der Flexibilisierung des Güllebonus soll den Anlagenbetreibern das Risiko genommen werden, dass sie den Güllebonus verlieren.
  • Beide Maßnahmen stehen unter Beihilfevorbehalt.
  • Begleitend sollen Erleichterungen im Genehmigungsrecht geschaffen werden. Durch eine Vollzugshilfe der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz für bestehende und für eine flexibilisierte Energieerzeugung ausgelegte Biogasanlagen wird die Möglichkeit geschaffen, befristet ohne Genehmigung mehr Rohbiogas zu erzeugen. Diese Vollzugshilfe soll rechtzeitig vor Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens im Deutschen Bundestag abgeschlossen werden. Gelingt dies nicht, wird eine Formulierungshilfe für eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.

3. Kurzfristige Erhöhung der Windstromproduktion an Land:

  • Betreiber von Windenergieanlagen können – befristet bis zum 15.04.2023 – die Grenzwerte der TA-Lärm und die zum Schutz vor Schattenschlag überschreiten. Der Wegfall der Lärmabschaltungen ermöglicht es den Betreibern vor allem zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens die Leistung der Anlagen zu erhöhen und dadurch mehr Strom zu erzeugen. Der Wegfall der Schattenabschaltungen ermöglicht es den Betreibern, in den Morgen- und Abendstunden mehr Strom zu erzeugen.
  • Änderungen zur Leistungssteigerung (Softwareupdates, Typenänderung) werden schnell und unbürokratisch ermöglicht, indem der Prüfumfang beim Änderungsgenehmigungsverfahren klargestellt wird.

4. Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus und der höhen Netzauslastung:

  • Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus: verschiedene Änderungen, um eine flexiblere Vorgehensweise der Behörde zu ermöglichen, erleichterte Zulassung des vorzeitigen Baubeginns
  • Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes (Höherauslastung): eine temporäre Höherauslastung des Höchstspannungsnetzes kann ohne vorherige Genehmigung kurzfristig umgesetzt werden, Festlegung eines Verfahrens zum Umgang mit auftretenden Beeinflussungen
  • Erleichterung bei der Errichtung sowie für die bessere Auslastung der Offshore-Anbindungsleitungen
  • Lastflexibilität industrieller Großverbraucher: Um Lastflexibilitätspotential so schnell wie möglich zu heben, werden Hürden zur Teilnahme an Regelenergiemärkten gesenkt, eine Flexibilisierung des Stromverbrauchs wird durch Änderungen bei individuellen Netzentgelten ermöglicht.
  • Darüber hinaus wird eine Entschädigungsregelung für den Fall eingeführt, dass dem Betreiber einer Gasspeicheranlage in Folge seiner Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Gasspeicheranlage unbillige wirtschaftliche Härten entstehen. Und es wird abgesichert, dass relevante Speicherkapazität für L-Gas vorgehalten werden, solange noch keine vollständige Umstellung von L- auf H-Gas erfolgt ist. Damit werden Entschließungen des Bundestages umgesetzt.
  • Maßnahmen im Netzausbaubeschleunigungsgesetz und im Bundesbedarfsplangesetz ergänzen die EnWG-Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus und zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes. Damit werden auch Vorschläge des Bundesrates aufgegriffen.

5. Maßnahmen im LNG-Beschleunigungsgesetz:

  • Im Fokus stehen Verfahrenserleichterungen, um eine möglichst große Gaseinspeisung an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin in diesem Winter abzusichern, u.a. weitere Verfahrenserleichterungen und Beschleunigungen für die schwimmenden LNG-Terminals und entsprechende Leitungen.

6. Zusätzliche Erleichterungen für den Brennstoffwechsel:

  • Die Möglichkeit, per Rechtsverordnung für den Betrieb von Anlagen befristete Abweichungen oder Ausnahmen von den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung treffen zu können, wird auf die Errichtung und die Änderung von Anlagen erweitert.
  • Zugleich wird eine Regelung für überwachungsbedürftige Anlagen eingeführt, die wegen einer ernsten oder erheblichen Gasmangellage errichtet oder geändert werden, diese können abweichend zur Betriebssicherheitsverordnung zunächst ohne behördliche Erlaubnis betrieben werden. Unberührt davon bleibt die Pflicht zur Prüfung durch eine zugelassene Überwachungsstelle, ob die Anlage sicher betrieben werden kann. Spätestens drei Monate nach dieser Prüfung ist die Erlaubnis nachzuholen und bei der zuständigen Behörde zu beantragen.

Weitere Beschlüsse des Kabinetts zur Verbesserung des Photovoltaik-Ausbaus im privaten Bereich:

  • Daneben hat das Kabinett am 14.09.2022 weitere wichtige Verbesserungen für den Photovoltaik-Ausbau im privaten Bereich beschlossen. Damit werden Bürokratiehemmnisse abgebaut. Konkret hat das Kabinett den Entwurf des Jahressteuergesetzes auf Vorlage des Bundesfinanzministeriums beschlossen.
  • Mit dem Jahressteuergesetz werden zum 01.01.2023 alle PV-Anlagen mit einer Leistung bis 30 kW für Einfamilienhäuser und Gewerbeimmobilien sowie für Mehrfamilienhäuser bis 15 kW je Wohnung oder Geschäftseinheit, insgesamt jedoch nur bis max. 100 kW Leistung pro Steuerpflichtigen, von der Einkommensteuer befreit. Bisher waren auf Antrag nur Anlagen bis zu einer Leistungsgrenze von 10 kW befreit. Durch die Einkommensteuerbefreiung entfällt die Verpflichtung, den Gewinn zu ermitteln und damit auch die komplizierte und oftmals nur mit Hilfe eines Steuerberaters auszufüllende „Einnahme-Überschuss-Rechnung“. Diese Vereinfachung stellt einen wichtigen Anreiz dar, zukünftig vorhandene Dachflächenpotenziale optimal auszuschöpfen.
  • Ergänzend dazu wird die Mehrwertsteuer für die Lieferung und Installation von PV-Anlagen auf Wohngebäuden auf 0% gesenkt. Damit werden die Anschaffungskosten erheblich reduziert. Zudem können Betreiber aufgrund des Nullsteuersatzes ohne Nachteile von der bürokratiearmen umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen.

Ukraine-Krieg: Steuererleichterungen in Niedersachsen

Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine und die daraufhin erfolgten Sanktionen der EU führen auch für die Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland zu schwerwiegenden Folgewirkungen. Niedersachsen lindert die Betroffenheit der Unternehmen durch steuerliche Maßnahmen.

Hierzu wird ausgeführt:

  • Zu den wichtigsten Möglichkeiten für Steuererleichterungen gehören die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Stundung oder der Erlass fälliger Steuern sowie der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen und Säumniszuschläge. Ein entsprechender Erlass geht den niedersächsischen Finanzämtern zu.
  • Wesentlich betroffenen Unternehmen wird empfohlen, sich wegen möglicher steuerlicher Hilfsmaßnahmen, insbesondere und gerade auch wegen einer Anpassung aufgrund der hohen Betriebskosten nicht mehr angemessener Steuervorauszahlungen, mit ihrem Finanzamt in Verbindung zu setzen. Über Anträge wird in jedem Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen schnell entschieden. Die Finanzämter gehen hier mit Augenmaß vor und schöpfen den ihnen hierbei zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum verantwortungsvoll aus.
  • Auch eine rückwirkende Herabsetzung der dritten Vorauszahlung zum 10.09.2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich.

Minderung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen

Die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg mindert eine Einkommensteuer-Vorauszahlung, die auch für Einkünfte aus § 13, § 15 oder § 18 EStG für den 10.09.2022 festgesetzt worden ist, durch eine Allgemeinverfügung um die Energiepreispauschale nach § 112 Abs. 2 EStG, sofern nicht ein konkret-individueller Vorauszahlungsbescheid ergeht (Allgemeinverfügung der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg v. 09.09.2022 – S 2257-2022/002-52).

EuGH zur Vorratsdatenspeicherung

Europäischer Gerichtshof, C-339/20, C-397/20

Pressemitteilung vom 20.09.2022

Pressemitteilung Nr. 157/22

Pressetext:
Es ist nicht zulässig, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern.

Ein nationales Gericht kann die Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine solche Vorratsspeicherung der Verkehrsdaten vorsehen, ungültig sind, nicht in ihren zeitlichen Wirkungen beschränken.

Gegen VD und SR laufen in Frankreich Strafverfahren wegen Insiderhandels, Hehlerei im Zusammenhang mit Insiderhandel, Beihilfe, Bestechung und Geldwäsche. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren im Rahmen der Bereitstellung von Diensten der elektronischen Kommunikation generierte personenbezogene Daten betreffend Telefongespräche von VD und SR, die dem Ermittlungsrichter von der Finanzaufsichtsbehörde (Autorité des marchés financiers, AMF) nach entsprechenden Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden waren.

VD und SR haben bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) gegen zwei Urteile der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) Kassationsbeschwerden eingelegt. Sie wenden sich dagegen, dass sich die AMF bei der Erhebung der Daten auf innerstaatliche Rechtsvorschriften gestützt habe, die, soweit sie eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten vorsähen, unionsrechtswidrig seien und in denen die Befugnis der Ermittler der AMF zur Anforderung gespeicherter Daten nicht begrenzt werde. Sie berufen sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs[1].

Die Vorlagefragen der Cour de cassation betreffen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern. Es geht im Wesentlichen um das Zusammenspiel der einschlägigen Vorschriften der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation[2] im Lichte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta)[3] und der einschlägigen Vorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie[4] und der Marktmissbrauchsverordnung[5]. Für den Fall, dass die betreffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften unionsrechtswidrig sein sollten, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ihre Wirkungen vorläufig aufrechterhalten werden können, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und es zu ermöglichen, dass die auf ihrer Grundlage auf Vorrat gespeicherten Daten zur Aufdeckung und Verfolgung von Insidergeschäften verwendet werden.

Mit seinem Urteil vom 20.09.2022 stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass weder die Marktmissbrauchsrichtlinie noch die Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf die Ausübung der den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden durch sie übertragenen Befugnisse eine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation bilden können.

Als Zweites weist der Gerichtshof darauf hin, dass es sich bei der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation um den Referenzrechtsakt im Bereich der Speicherung und allgemein der Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation handelt. Die Datenschutzrichtlinie ist daher auch für die Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation maßgeblich, die die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung bei Letzteren anfordern können. Für die Beurteilung der Frage, ob die Verarbeitung der Aufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zulässig ist, sind mithin die Voraussetzungen gemäß der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation in der Auslegung durch den Gerichtshof maßgeblich.

Der Gerichtshof gelangt deshalb zu dem Schluss, dass es nach der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung in Verbindung mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und im Lichte der Charta nicht zulässig ist, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern.

Als Drittes hält der Gerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach das Unionsrecht dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht die nach nationalem Recht zu treffende Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zur allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung der Verkehrs- und Standortdaten verpflichtet werden, wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation ungültig sind, in ihren zeitlichen Wirkungen beschränkt.

Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Verwertbarkeit von Beweismitteln, die aufgrund einer solchen Vorratsspeicherung von Daten erlangt wurden, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dem nationalen Recht unterliegt – vorbehaltlich der Beachtung u. a. der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Letzterer verpflichtet ein nationales Strafgericht dazu, Informationen und Beweise, die durch eine mit dem Unionsrecht unvereinbare allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung erlangt wurden, auszuschließen, sofern die betreffenden Personen nicht in der Lage sind, sachgerecht zu den Informationen und Beweisen Stellung zu nehmen, die einem Bereich entstammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen.