Sozialversicherung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Universität mit Rechtsanwaltszulassung unterliegt der Rentenversicherungspflicht (Landessozialgericht NRW, Urteil v. 26.01.2022 – L 3 R 560/19).

Sachverhalt: Die Klägerin war als zugelassene Rechtsanwältin selbständig tätig und Mitglied eines Versorgungswerkes. Sie beantragte die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine befristete Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Universität. Ihre gegen den Ablehnungsbescheid des beklagten Rentenversicherungsträgers gerichtete Klage wies das SG Köln ab.

Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen:

  • Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Denn sie hat in der streitigen Zeit in einem festen Dienst- und Anstellungsverhältnis bei der Universität, einer nichtanwaltlichen Arbeitgeberin, gestanden, dieser ihre Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung gestellt und ist in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Eine anwaltliche Berufsausübung ist in dieser äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich.
  • Für ihre Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin kann eine Befreiung nicht ausgesprochen werden. In dieser unterliegt die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, da sie diese nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgeübt hat.
  • Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin scheidet aus, da sie nicht als solche zugelassen worden ist.
  • Schließlich liegt kein Fall vor, in dem sich eine Befreiung auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit erstreckt, denn aufgrund der selbständigen Tätigkeit fehlt es für die Erstreckung bereits an einer bestehenden Befreiung.
  • Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass eine Befreiung im Wege der Erstreckung für eine berufsfremde Tätigkeit nur für dem Grunde nach versicherungspflichtige Personen (z.B. angestellte Rechtsanwälte) und nicht für nicht versicherungspflichtige Personen (z.B. selbständige Rechtsanwälte) möglich ist.
  • Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung liegt darin, dass zwischen Personen unterschieden wird, die grundsätzlich als versicherungspflichtig Beschäftigte den Regelungen des SGB VI unterliegen und solchen Personen, die der Gruppe der Selbständigen/Freiberufler angehören und daher grundsätzlich nicht davon erfasst werden.

Pfändbarkeit einer tariflichen Corona-Prämie

Die tariflichen Corona-Prämien im Bereich des regionalen Nahverkehrs für die Jahre 2020 und 2021 sind kein unpfändbares Arbeitseinkommen und können unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen gepfändet werden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.02.2022 – 23 Sa 1254/21; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Ein Omnibusfahrer im Personennahverkehr hat im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die pfändbaren Anteile seines Arbeitseinkommens an die Insolvenzverwalterin abgetreten. Seine Arbeitgeberin zahlte an ihre Beschäftigten im Jahr 2020 und 2021 eine tarifvertraglich geregelte Corona-Prämie. Voraussetzung für die Zahlung ist nach der tarifvertraglichen Regelung ein bestehendes Arbeitsverhältnis an einem bestimmten Stichtag und ein Anspruch auf Arbeitsentgelt an mindestens einem Tag in einem festgelegten Referenzzeitraum. An den Omnibusfahrer zahlte sie einen Teil der Prämie unter Hinweis auf die Pfändung und eine deshalb bestehende Verpflichtung zur Zahlung an die Insolvenzverwalterin nicht aus. Mit seiner Klage hat der Omnibusfahrer die vollständige Auszahlung der Corona-Prämien an sich verlangt und geltend gemacht, die Corona-Prämie gehöre nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen.

Das Landesarbeitsgericht hat entschieden:

  • Die Arbeitgeberin hat zu Recht den pfändbaren Teil der tariflichen Corona-Prämien nicht an den Omnibusfahrer ausgezahlt. Die tariflichen Corona-Prämien sind kein unpfändbares Arbeitseinkommen i. S. von § 850a ZPO.
  • Es handelt sich insbesondere um keine unpfändbare Gefahren- oder Erschwerniszulage oder Aufwandsentschädigung in diesem Sinne. Dies ergibt sich aus der Ausgestaltung der tariflichen Regelung. Diese unterscheidet nicht danach, in welchem Maße die Beschäftigten aufgrund der Corona-Krise besonderen Belastungen ausgesetzt sind, vielmehr sollten hier alle Beschäftigten unabhängig von den Umständen der Arbeitsleistung gleichermaßen von der Prämie profitieren.
  • Insofern handelt es sich um eine andere Regelung als beispielsweise die Prämien im Pflegebereich nach § 150a SGB XI, bei denen es für Zahlungsansprüche darauf ankommt, in welchem Maße eine direkte Betreuung von Pflegebedürftigen erfolgt ist.

Handwerkerleistungen: Belastung Gesellschafterverrechnungskonto

Die Steuer­ermäßigung für Hand­werker­leistungen nach § 35a Abs. 3 EStG kann auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das JStG 2008 nur in Anspruch genommen werden, wenn der Rechnungs­betrag auf einem Konto des Leistenden bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben wird. Die Gutschrift des Rechnungs­betrags im Wege der Aufrechnung durch Belastung des Gesellschafter­verrechnungs­kontos des Steuer­pflichtigen bei der leistungs­erbringenden GmbH genügt den gesetzlichen Anforderungen an den Zahlungs­vorgang nicht (BFH, Beschluss v. 09.06.2022 – VI R 23/20; veröffentlicht am 1.9.2022).

Energieversorgung: Höhe der befristeten Gas-Sicherungsumlage

Um die Wärme- und Energieversorgung in der kommenden Kälteperiode zu sichern, wird von Oktober an eine befristete Gas-Sicherungsumlage erhoben. Diese liegt zu Beginn des Umlagezeitraums (ab dem 1. Oktober) bei 2,4 Cent, wie der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) am 15.08.2022 bekannt gab.

Hintergrund für die Umlage ist die von Russland künstlich geschaffene Energieknappheit. So wurden die Gasflüsse durch die Pipeline Nord Stream 1 ohne belastbare technische Gründe reduziert. Gasimportunternehmen müssen nun zu deutlich höheren Preisen als vereinbart am so genannten Spotmarkt Ersatz beschaffen, damit die Privathaushalte sowie die Wirtschaft weiter mit ausreichend Gas versorgt werden können. Dadurch würden zum Teil hohe und nicht zu deckende Verluste entstehen, wodurch Insolvenzen und großflächige Lieferausfälle in der Gasversorgung wahrscheinlich würden. Um ein solches Szenario zu verhindern, soll der Großteil dieser Ersatzbeschaffungskosten ab Oktober solidarisch von allen Gasversorgern getragen werden, die diese dann auf die Endkunden – Privathaushalte und Wirtschaft – umlegen können. Bis Ende September tragen die Gasimporteure die Kosten praktisch allein. Die Umlage dient explizit nicht dazu, die Eigentümerinnen und Eigentümer der Energieversorgungsunternehmen vor Wertverlusten zu schützen. Die Umlage ist per Rechtsverordnung von der Bundesregierung beschlossen worden; Rechtsgrundlage ist § 26 des novellierten Energiesicherungsgesetzes.

Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie

Die Bundesregierung hat am 24.08.2022 den vom BMF vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts beschlossen.

Ziel des Gesetzentwurfs ist die Umsetzung der als „DAC 7“ bezeichneten Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (ABl. L 104/1 vom 25.03.2021) (Amtshilferichtlinie). Mit der sechsten Änderung der Amtshilferichtlinie wurden die rechtlichen Grundlagen, die der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Mitgliedstaaten) im Bereich der direkten Steuern zugrunde liegen, weiterentwickelt. Die Anpassungen verfolgen den Zweck, die Kooperation der Behörden zu intensiveren und ihre Effizienz zu steigern.

Darüber hinaus sollen steuerverfahrensrechtliche Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenprüfungen, punktuell modernisiert werden. Letztlich sollen Außenprüfungen künftig früher begonnen und abgeschlossen werden. Im Vordergrund steht dabei die Kooperation zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen.

Umweltbonus: 8,7 Milliarden Euro Förderung für E-Mobilität

In der Zeit von Juli 2016 bis Juni 2022 ist die Elektromobilität in Deutschland mit insgesamt 8,7 Milliarden Euro gefördert worden. Der Herstelleranteil beläuft sich dabei auf 3,0 Milliarden Euro, der Bundesanteil auf 5,7 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (BT-Drucks. 20/3008) auf eine Kleine Anfrage der AfD (BT-Drucks. 20/2809) hervor.

Die AfD-Fraktion hatte wissen wollen, auf welchen Betrag sich die Gesamtausgaben der Förderung elektrisch betriebener Fahrzeuge beläuft – und ob die Bundesregierung Hinweise auf Fördermissbrauch habe. Die Frage, ob nach Ansicht der Bundesregierung ein Anfangsverdacht zur missbräuchlichen Inanspruchnahme von Subventionen gegeben sei, wenn elektrisch betriebene Fahrzeuge nach kurzer Haltedauer unter Gewinn ins Ausland verkauft werden, verneinte die Regierung – vorausgesetzt, die vorgeschriebenen Mindesthaltedauern würden eingehalten.

Corona: Rechtsstreit um Soforthilfen

Die Bescheide, mit denen die Bezirksregierung Düsseldorf geleistete Corona-Soforthilfen von den Empfängern teilweise zurückgefordert hat, sind rechtswidrig. Den gegen diese Schlussbescheide gerichteten Klagen dreier Zuwendungsempfänger gegen das Land Nordrhein-Westfalen hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf stattgegeben (VG Düsseldorf, Urteile v. 16.08.2022- 20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22; Berufung zugelassen).

Schlagkräftige Bekämpfung von Finanzkriminalität

Das BMF hat am 24.08.2022 die Eckpunkte für eine schlagkräftigere Bekämpfung der Finanzkriminalität und eine effektivere Durchsetzung von Sanktionen in Deutschland vorgestellt. Die Pläne sehen insbesondere vor, die wichtigsten Kompetenzen unter dem Dach einer neuen Behörde auf Bundesebene zu bündeln. Ziel dieser weitreichenden Maßnahmen ist es, Finanzkriminalität in Deutschland entschieden einzudämmen.

Mit den vorgestellten Eckpunkten wird die hohe Priorität eines entschlossenen Vorgehens gegen Finanzkriminalität für die Bundesregierung unterstrichen. Im Koalitionsvertrag hatten die Regierungsparteien bereits entsprechende Schritte im Kampf gegen Geldwäsche skizziert. Zudem hatte jüngst die Financial Action Task Force (FATF) Deutschlands System gegen Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen umfassend geprüft. Die Veröffentlichung des Berichts mit Empfehlungen steht unmittelbar bevor.

Die Eckpunkte sehen die folgenden drei Maßnahmen vor:

  • Kernkompetenzen unter einem Dach bündeln
  • Hoch qualifizierte Finanzermittlerinnen und Finanzermittler ausbilden
  • Digitalisierung und Vernetzung von Registern vorantreiben

Nachgewährter Urlaub bei behördlich angeordneter Quarantäne

Das Bundesarbeitsgericht hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte (BAG, Beschluss v. 16.08.2022 – 9 AZR 76/22 (A)).

Körperschaftsteuer: Dividenden eines Versorgungswerkes

Es verletzt nach der im Jahr 2010 geltenden Rechtslage nicht den allgemeinen Gleich­heitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass Dividenden, die ein öffentlich-rechtliches Versorgungs­werk von inländischen Kapital­gesellschaften in seinem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG steuerbefreiten BgA bezieht, für Körperschaftsteuerzwecke gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 KStG einem abgeltenden Kapitalertrag­steuerabzug von den Bruttoeinnahmen mit einer teilweisen Abstandnahme auf drei Fünftel des Steuerabzugs unterliegen (BFH, Urteil v. 17.05.2022 – VIII R 2/18; veröffentlicht am 25.08.2022).