Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Vorlage des FG Köln für unzulässig erklärt. Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob die Vorschrift des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als zur Ermittlung der Pensionsrückstellung ein Rechnungszinsfuß von 6 % anzusetzen ist (BVerfG, Beschluss v. 28.07.2023 – 2 BvL 22/17; veröffentlicht am 25.08.2023).

Bundesrat billigt Heizungsgesetz

Das Gebäudeenergiegesetz hat den Bundesrat passiert. Lange war zuvor darüber diskutiert worden. Es soll 2024 in Kraft treten.

Der Bundesrat hat am Freitag das Heizungsgesetz gebilligt. Ein Antrag Bayerns, den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anzurufen, fand keine Mehrheit. Damit kann das Gesetz Anfang 2024 in Kraft treten. Der Bundestag hatte das Gesetz in der ersten Septemberwoche verabschiedet.

Nach langen Konflikten innerhalb der Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz, umgangssprachlich als Heizungsgesetz bezeichnet, vor drei Wochen beschlossen.

Das Gesetz soll einen wesentlichen Beitrag für mehr Klimaschutz in Gebäuden leisten. Es zielt darauf ab, durch einen Austausch von Öl- und Gasheizungen Schritt für Schritt das Heizen in Deutschland klimafreundlich zu machen. Es sieht vor, dass künftig jede neu eingebaute Heizung mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Das Gesetz gilt ab 2024 unmittelbar erst einmal nur für Neubaugebiete. Für Bestandsbauten soll eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein, die schrittweise kommen soll.

Monatelang hat die Ampelkoalition über den Entwurf zum Heizungsgesetz gestritten – im September war es im Bundestag beschlossen worden.

Im Bundesrat bezeichnete der brandenburgische Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) das gesamte Verfahren als Tiefpunkt für die Demokratie. Das Gesetzgebungsverfahren sei nun beendet, sagte er, die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz werde aber weitergehen. Bayern scheiterte mit einem Antrag, den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anzurufen.

Der Bundesrat nahm auch Stellung zum Wärmeplanungsgesetz, wonach Städte ab 100.000 Einwohnern bis Mitte 2026 eine Wärmeplanung vorlegen müssen und alle kleineren Kommunen bis Mitte 2028. Mehrere Länder drangen auf eine Verlängerung der Fristen für die Wärmepläne, nach denen sich die Regeln für den Heizungstausch richten.

Durch die Debatte zum Gebäudeenergiegesetz sind viele Hausbesitzer verunsichert und sehen erstmal hohe Kosten auf sich zukommen.

Ziel des Heizungstausches ist es, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu reduzieren, da andernfalls Deutschland seine Klimaziele nicht erreicht. Habecks Ministerium geht aber davon aus, dass die im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene Halbierung der Emissionen im Gebäudesektor bis 2030 nicht ganz erreicht werden wird. Erwartet werden eher etwa 40 Prozent Emissionsminderung. Bis 2045 soll die Wärmewende vollzogen sein.

Grunderwerbsteuer: Zusammenlegung von Kirchengemeinden

Hat das Finanzamt aufgrund irriger Beurteilung des Sachverhalts in einem Feststellungs­bescheid den Zeitpunkt des grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgangs fehlerhaft angegeben und wurde der Feststellungsbescheid deshalb in der Folge wegen Rechtswidrigkeit gerichtlich aufgehoben, kann es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 und 3 AO in einem weiteren Feststellungs­bescheid die richtigen steuerlichen Folgerungen aus der Aufhebung innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des Feststellungsbescheides ziehen (BFH, Urteil v. 10.05.2023 – II R 24/21; veröffentlicht am 31.08.2023).

Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des GrEStG setzt grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auf­lassungsvormerkung voraus (BFH, Urteil v. 25.04.2023 – II R 38/20; veröffentlicht am 31.08.2023). Hintergrund: Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird.

Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr

Das BMF hat ausführlich zur Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr nach § 5a EStG Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 10.07.2023 – IV C 6 – S 2133-a/20/10001 :003).

In dem Schreiben geht das BMF auf die folgenden Punkte näher ein:

  1. Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr (§ 5a EStG)
  2. Besondere Gewinnermittlung (§ 5a Absatz 1 EStG)
  • Geschäftsleitung und Bereederung im Inland (§ 5a Absatz 1 Satz 1 EStG)
  • Gewinnermittlung bei Mischbetrieben (§ 5a Absatz 1 Satz 1 EStG)
  • Betriebstage (§ 5a Absatz 1 Satz 2 EStG)
  • Absicht zum langfristigen Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr
  1. Handelsschiffe im internationalen Verkehr (§ 5a Absatz 2 EStG)
  • Inländisches Seeschiffsregister (§ 5a Absatz 2 Satz 1 EStG)
  • Überwiegender Einsatz im internationalen Verkehr (§ 5a Absatz 2 Satz 1 EStG)
  • Neben- und Hilfsgeschäfte (§ 5a Absatz 2 Satz 2 EStG)
  • Einkünfte aus vercharterten Handelsschiffen (§ 5a Absatz 2 Satz 2 EStG)
  • Einkünfte aus gecharterten Handelsschiffen (§ 5a Absatz 2 Satz 3 und 4 EStG)

III. Antrag auf besondere Gewinnermittlung (§ 5a Absatz 3 EStG)

 

  1. Unterschiedsbetrag (§ 5a Absatz 4 EStG)
  • Unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dienendes Wirtschaftsgut (§ 5a Absatz 4 Satz 1 EStG)
  • Aufstellung des Verzeichnisses (§ 5a Absatz 4 Satz 1 EStG)
  • Gesonderte und ggf. einheitliche Feststellung des Unterschiedsbetrags (§ 5a Absatz 4 Satz 1 EStG)
  • Fortschreibung des Verzeichnisses
  • Besteuerung des Unterschiedsbetrags (§ 5a Absatz 4 Satz 3 EStG)
  1. Gesellschaften nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG (§ 5a Absatz 4a EStG)
  • Umfang des Gewinns bei Personengesellschaften; Behandlung von Gewinnen und Verlusten im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters (§ 5a Absatz 4a Satz 1 EStG)
  • Verhältnis zu § 15a EStG (§ 5a Absatz 4a Satz 2 EStG)
  • Gewinnerzielungsabsicht (§ 5a Absatz 4a Satz 2 EStG)
  • Hinzuzurechnende Vergütungen (§ 5a Absatz 4a Satz 3 EStG)
  • Hinzurechnung von Sondervergütungen vor Indienststellung des Handelsschiffs
  1. Rückwechsel von der Tonnagebesteuerung zur Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 1, § 5 EStG
  • AfA im Anschluss an den Rückwechsel
  • Fortführung von Ergänzungsbilanzen nach Rückwechsel zur Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 1, § 5 EStG
  • Teilwertaufstockung nach § 5a Absatz 6 EStG und Verlustverrechnung in den Folgejahren

VII. Tarifbegrenzung/Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb

 

VIII. Unterlagen zur Steuererklärung (§ 60 EStDV)

  1. Gewerbesteuer
  2. Körperschaftsteuer
  • Keine Korrektur des nach § 5a EStG ermittelten Gewinns
  • Mischbetriebe
  • Unterschiedsbetrag nach § 5a Absatz 4 EStG
  • Nichtanrechnung ausländischer Steuern
  1. Zeitliche Anwendung

Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen

Die Bundesregierung hat am 30.08.2023 die vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegten Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen. Damit soll ein wesentlicher Beitrag zum Abbau von bürokratischen Hürden geleistet und ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden. U. a. ist vorgesehen, die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre zu verkürzen.

Das Eckpunktepapier sieht unter anderem folgende Neuerungen vor:

  • Informationspflichten: Diese sollen auf Aktualität, Harmonisierungsmöglichkeiten und sonstige Ansatzpunkte zur Entlastung für den Mittelstand überprüft werden. Dabei werden die Informationspflichten im Energierecht, im Außenwirtschaftsrecht, im Mess- und Eichwesen sowie im Rahmen der Wirtschaftsstatistik, Gewerbe- und Handwerksordnung als auch in branchen- und berufsspezifischen Verordnungen auf den Prüfstand gestellt.
  • Aufbewahrungsfristen: Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden.
  • Hotelmeldepflicht: Die Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige soll abgeschafft werden.
  • Schriftformerfordernisse: Die Elektronische Form soll im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die Regelform werden. Deshalb sollen zahlreiche Schriftformerfordernisse soweit wie möglich aufgehoben werden. Auch soll der Rechtsverkehr für die Wirtschaft sowie für Bürgerinnen und Bürger vereinfacht und weitmöglichst digitalisiert werden.
  • Arbeitsverträge: Im Nachweisgesetz soll eine Regelung geschaffen werden, wonach wie bereits bisher bei schriftlichen Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen zu erteilen, entfällt, wenn und soweit ein Arbeitsvertrag in einer die Schriftform ersetzenden gesetzlichen elektronischen Form geschlossen wurde. Entsprechendes soll für in elektronischer Form geschlossene Änderungsverträge bei Änderungen wesentlicher Vertragsbedingungen gelten. Ausgenommen werden sollen die Wirtschaftsbereiche und Wirtschaftszweige nach § 2a Abs. 1 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
  • Arbeitszeit: Für die Regelung zur Erteilung von Arbeitszeugnissen in § 630 BGB soll ebenfalls die elektronische Form ermöglicht werden. Das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz soll mit dem Ziel angepasst werden, dass die jeweiligen Aushangpflichten durch den Arbeitgeber auch erfüllt werden, wenn dieser die geforderten Informationen über die im Betrieb oder in der Dienststelle übliche Informations- und Kommunikationstechnik (etwa das Intranet) elektronisch zur Verfügung stellt, sofern alle Beschäftigten freien Zugang zu den Informationen haben.
  • Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung: Für die nach § 4 Abs. 4 Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) vorzuhaltenden schriftlichen Aufzeichnungen über in loser Ware enthaltene Allergene soll die digitale Form ermöglicht werden. Dies gilt dann auch für verpflichtende Informationen über in loser Ware enthaltene Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen, da für die Art und Weise der Kennzeichnung in den einschlägigen Vorgaben auf die Regelung der LMIDV verwiesen wird.
  • Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz: Das Schriftformerfordernis im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz für Anträge auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ablehnung sowie die Geltendmachung des Anspruchs auf Elternzeit soll durch die Textform ersetzt werden.
  • Küstenschifffahrtsverordnung: Die Küstenschifffahrtsverordnung, wonach Seeschiffe, die nicht aus der EU stammen, eine Genehmigung für innerdeutsche Transporte in den Küstengewässern benötigen, soll abgeschafft werden. Damit wird das Gewerbe und die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt von ca. 150 Verwaltungsverfahren pro Jahr entlastet. Die Voraussetzungen für eine Erteilung der Genehmigung lag bislang in über 90 % der Fälle vor.
  • Beschleunigung von Baumaßnahmen an der Schieneninfrastruktur: Um die artenschutzrechtliche Prüfung in Bezug auf ausgewählte und im Schienenbereich besonders relevante Arten fachgerecht zu standardisieren, werden Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften geschaffen. Der Schutzumfang der betroffenen Arten wird nicht abgesenkt.

Darüber hinaus wird der Abbau von Bürokratie mit weiteren Maßnahmen flankiert. Hierzu soll zeitnah ein Bericht der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden. Auch das BEG IV wird in den Bericht einfließen.

Hinweis:

Die Maßnahmen müssen nun noch in ein Gesetz einfließen. Auf Basis des Eckpunktepapiers wird das (BMJ) nun schnellstmöglich einen Referentenentwurf für das BEG IV koordinieren.

Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen

Die Sonderregelung zur Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes gilt aufgrund der Niederlassungs­freiheit (Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) auch für Vor­sorgeaufwendungen, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen aus einer in den Niederlanden ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit stehen (BFH, Urteil v. 24.05.2023 – X R 28/21; veröffentlicht am 31.08.2023).

200 Euro Hilfeleistung

Studierende können die Energiepauschale noch bis Montag, den 02.10.2023 beantragen.

Kurz vor Ende der Frist hat mehr als jeder fünfte Berechtigte noch nicht zugegriffen. Koalitionspolitiker bewerten die Maßnahme überwiegend als Erfolg, aus der SPD kommt aber auch Kritik an dem Verfahren.

Wenige Tage vor Ablauf der Frist haben rund 2,8 Millionen Studierende in Deutschland einen erfolgreichen Antrag zum Erhalt der Energiepreispauschale gestellt. Das teilte das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf Anfrage unserer Redaktion mit. Wie eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, entspreche dies einem Anteil von 78,6 Prozent der Berechtigten. Zum Vergleich: Anfang September hatte das Ministerium etwas mehr als 2,73 Millionen Anträge gezählt, was knapp 77 Prozent der Berechtigten entsprach. Damit dürfte es nach Schätzungen der Bundesregierung noch rund 700.000 Studierende und (Berufs-)Fachschüler geben, die die Unterstützungsleistung in Höhe von 200 Euro bislang nicht abgerufen haben.

Koalitionspolitiker zeigen sich mit der vorläufigen Bilanz zufrieden. Die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Ria Schröder, wertete die Energiepreispauschale sogar als vollen Erfolg. „Inflation und hohe Energiepreise wurden dadurch abgemildert und das vollständig digitale Antragsverfahren ist ein Meilenstein“, sagte Schröder unserer Redaktion. Vom Antrag bis zur Bewilligung seien „durchschnittlich nur zwei Minuten“ vergangen – ein Positivbeispiel für Digitalisierung in der Verwaltung, bilanzierte die Politikerin.

Zugleich äußerte die Politik aber auch kritisch. „Dass nun jeder fünfte Studierende keinen Antrag gestellt hat, mag unterschiedliche Gründe haben, zeigt aber, dass wir für die Zukunft automatische Verfahren und zielgruppenorientierte Kommunikation brauchen, um wirklich allen Betroffenen zu ihrem Rechtsanspruch zu verhelfen“, sagte er. Seiner Meinung nach sei die Bundesregierung gut damit beraten, „das Verfahren und vor allem den langen Zeitraum bis zur Erstellung des Online-Tools kritisch zu reflektieren und für die Zukunft abzustellen.“

Geldwerter Vorteil für Garage

Die vom Arbeitnehmer für seine Garage getragene Absetzung für Abnutzung (AfA) kann den geldwerten Vorteil aus der Überlassung eines betrieblichen Arbeitgeber-Fahrzeugs zur außer­dienstlichen Nutzung nicht mindern, wenn keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitnehmers ggü. dem Arbeitgeber besteht, das Fahrzeug in der Garage unterzustellen (BFH, Urteil v. 04.07.2023 – VIII R 29/20; veröffentlicht am 31.08.2023).

Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen

Auch wenn der Sommer dieses Jahr zeitweise „ins Wasser“ gefallen ist, lassen sich Unternehmen das Feiern nach Corona nicht mehr so einfach verbieten, hilft es doch, das Betriebsklima zu bewahren und das Team zu stärken. Besonders beliebt sind dafür Sommerfeste, gemeinsame Ausflüge oder sogar eine mehrtägige Reise. Allerdings stellt sich für Arbeitgeber dabei immer wieder die Frage, was bei der Planung und Ausrichtung steuerlich zu beachten ist.

Ertragsteuerlich hat sich zwar auch in diesem Jahr nichts geändert. Doch hinsichtlich der Umsatzsteuer hat der BFH mitten im Sommerloch ein Machtwort gesprochen!

Ertragsteuerliche Behandlung einer Betriebsveranstaltung

Für den Arbeitgeber sind alle mit einer Betriebsveranstaltung im Zusammenhang stehende Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie angemessen sind. Für den Arbeitnehmer handelt es sich hingegen bei der Teilnahme an Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltungen) grundsätzlich um Arbeitslohn. Allerdings kommt es für maximal zwei Betriebsveranstaltungen im Jahr zu keinem Zufluss von Arbeitslohn beim Arbeitnehmer, soweit die Kosten je Arbeitnehmer und Veranstaltung den Betrag von 110 Euro nicht überschreiten. Nur die darüberhinausgehenden Kosten bzw. Kosten für mehr als zwei Veranstaltungen pro Jahr sind Arbeitslohn und damit lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig. Es handelt sich also um einen Freibetrag. Noch bis Ende 2014 war dies auch ertragsteuerlich eine Freigrenze, sodass jedes Überschreiten der 110 Euro zur kompletten Steuerpflicht führte. Der Arbeitgeber kann die geldwerten Vorteile aber mit 25 Prozent Lohnsteuer zzgl. 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer pauschalieren und die Pauschsteuer übernehmen. Damit bleibt der Vorteil auch sozialversicherungsfrei, vorausgesetzt die Pauschsteuer wird im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum angemeldet und an das Finanzamt abgeführt.

Als geldwerter Vorteil aus der Betriebsveranstaltung sind dabei alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die Aufwendungen sind dabei unabhängig davon zu berücksichtigen, ob diese den einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich lediglich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt. Damit sind auch Ausgaben zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet (Kosten für anwesende Sanitäter, für die Erfüllung behördlicher Auflagen, Stornokosten oder Trinkgelder).

Nur anteilige Kosten der Lohnbuchhaltung für die Erfassung des geldwerten Vorteils der Betriebsveranstaltung oder die anteilige Abschreibung für z. B. Gerätschaften und das eigene Mobiliar sowie Kosten für Energie- und Wasserverbrauch bei einer Betriebsveranstaltung in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers müssen nicht mit einbezogen werden.

Umsatzsteuerliche Behandlung einer Betriebsveranstaltung

Bis Ende 2014 waren die 110 Euro nicht nur ertrag- ,sondern auch umsatzsteuerlich eine Freigrenze. Der Vorsteuerabzug aus den Kosten einer Betriebsveranstaltung war also nur dann möglich, wenn die Aufwendungen die Grenze von 110 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht überschritten hatten.

Nach über sieben Jahren hat sich nun endlich der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 10. Mai 2023 der Frage angenommen, ob es sich im Umsatzsteuerrecht ebenfalls um einen Freibetrag oder weiterhin um eine Freigrenze handelt. Danach bleibt bei Betriebsveranstaltungen umsatzsteuerlich alles beim Alten. Es ist weiterhin von einer Freigrenze auszugehen, da laut BFH dem Umsatzsteuerrecht Freibeträge „wesensfremd“ sind. Sonstige Leistungen für den privaten Bedarf des Personals werden also nur dann nicht besteuert, sofern es sich noch um Aufmerksamkeiten handelt. Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug. Aufmerksamkeiten liegen aber nur dann vor, wenn die 110-Euro-Freigrenze gerade nicht überschritten wird.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter zu einem Kochevent eingeladen hatte. Dafür mietete er bei einem Veranstalter ein entsprechendes Kochstudio. Gemeinsam mit zwei Köchen bereiteten 31 Teilnehmer unter Anleitung das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Dem Kläger entstanden hierfür Bruttokosten von 4.664,68 Euro (150,47 Euro je teilnehmenden Arbeitnehmer).

Dass es sich bei dem Kochevent um eine Betriebsveranstaltung handelte, war unstrittig. Der Vorsteuerabzug war aber unzulässig, da die Freigrenze von 110 Euro je Arbeitnehmer überschritten wurde und somit keine Aufmerksamkeiten vorlagen.

Der BFH hat in seiner Entscheidung auch klargestellt, dass bei der umsatzsteuerlichen Prüfung der 110-Euro-Freigrenze auch die Kosten des äußeren Rahmens der Veranstaltung mit zu berücksichtigen sind, sofern es sich um eine einheitliche Leistung handelt. Das gilt zumindest im vorliegenden Fall eines Kochevents, welches von der besonderen Örtlichkeit in gehobenem Ambiente sowie dem gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken durch das Team geprägt war. Der BFH bestätigte, dass ein solches Kochevent ein marktfähiges Gesamtpaket darstellt, sodass es lebensfremd wäre, die angefallenen Kosten künstlich aufzuteilen.

Außerdem sind die Gesamtbruttokosten einer Veranstaltung laut BFH immer nur auf die tatsächlich teilnehmenden Mitarbeiter zu verteilen. Da die 110-Euro-Freigrenze je Teilnehmer überschritten wurde, verwehrte der BFH somit auch den Vorsteuerabzug aus den sogenannten „No-Show“-Kosten für den nicht erschienenen Arbeitnehmer. Der Vorsteuerabzug wurde daher insgesamt vom hohen Gericht versagt.

Fazit: Bei Betriebsveranstaltungen, wie z. B. auch bei teambildenden Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebsklimas, wie Kochevents oder Teamausflügen mit Eventcharakter (Wildwasserrafting, Kanutouren etc.) ist der Vorsteuerabzug nur dann möglich, wenn die Bruttokosten die Freigrenze von 110 Euro je Teilnehmer nicht überschreiten.

Hinweis: Der Gesetzgeber plant den ertragsteuerlichen Freibetrag ab 2024 von 110 Euro auf 150 Euro heraufzusetzen. Sollte diese Änderung umgesetzt werden, wird sich erneut die Frage stellen, ob auch die umsatzsteuerliche Freigrenze auf 150 Euro ansteigt.